Hier, unmittelbar am Marterloch befinden sich die beiden Höfe Martertal und Eirnberg (früher auch „Eyrnberg“).
Aufgrund ihrer Lage am historischen Saumpfad von Bozen ins Sarntal boten sie über Jahrhunderte eine willkommene Raststätte für Händler, Lastenträger und Samer.
Der Saumpfad führte einst von Bozen über Schloss Rafenstein und Afing durch das Marterloch und von hier weiter nach Bundschen und ins Sarntal. Erst ab 1900 wurde eine Straße durch die Talsohle gebaut – zuvor war der Weg entlang der Talfer oft unpassierbar und wurde nach Hochwassern regelmäßig zerstört.
Der Eyrnberghof war mehr als ein Bauernhof: Ausgestattet mit romanischem Torbogen, Wehrturm und Schießscharten erfüllte er wichtige Aufgaben. Der Besitzer war für die Wegerhaltung zuständig und durfte im Gegenzug Wein ausschenken – zugleich war er verpflichtet, Samer aufzunehmen und ihnen Schutz zu gewähren. In den Ställen war Platz für bis zu 40 Pferde.
Einer Sage zufolge wurde der Hof bereits zur Römerzeit als Wach- und Versorgungsposten eingerichtet – angeblich auf Anweisung des römischen Feldherrn Drusus.
Ein letzter Gruß am Martertalbrünnlein
Eine Erzählung nach Luis Oberkalmsteiner
in kühler Herbstabend senkt sich über die Hänge zwischen Rafenstein und Vormeswald. Entlang des alten Saumwegs, der sich von Bozen über Afing durch das Marterloch nach Sarnthein zieht, geht ein Mann allein. Die Jahre haben Spuren in sein Gesicht gegraben. Seine Kleidung ist alt und abgetragen, die einstige Tracht kaum noch erkennbar. Am Brünnlein tief unten in der Schlucht bleibt er stehen. Dann setzt er sich, erschöpft, und blickt hinüber zum Hof auf der anderen Talseite – ruhig und fest, wie ein Bild aus einer anderen Zeit.
Zehn Jahre ist es her, seit er hier Wasser schöpfte. Zehn Jahre, seit er sich an diesem Ort von einer jungen Frau verabschiedete. Sie hieß Marta – still, blond, mit wachen Augen. Damals, im Jahr 1810, wurden im Sarntal Männer zum Kriegsdienst einberufen. Dreißig sollten es sein. Das Los traf seinen jüngeren Bruder, doch der konnte den Hof nicht verlassen. Der Ältere, der nun hier sitzt, meldete sich an seiner Stelle. „Pass auf den Hof auf, bis ich zurückkomme“, hatte er gesagt. Dann zog er fort – mit einem Heer, das bis nach Russland marschierte. Nur wenige kehrten zurück. Er war einer davon.
Jetzt, im Jahr 1820, sitzt er wieder am Brünnlein. Still und fremd in seiner Heimat. Der Hof gegenüber scheint unverändert. Rauch steigt aus dem Kamin, die Wiesen sind gemäht. Doch dann steht da ein Kind. Blond, mit blauen Augen. Es sagt: Die Mutter heiße Marta, der Vater Sepp. Vier Kinder leben auf dem Hof. Sepp – der Bruder.
Der Mann lächelt matt. Er weiß, dass er nicht bleiben kann. Sein Opfer war groß – aber still. Und niemand hat auf ihn gewartet. Leise sagt er zum Kind: „Grüß deine Mutter. Sag ihr: Einer, der sie nicht vergessen hat, war heute am Brünnlein.“ Dann wendet er sich ab. Und geht. Den alten Saumweg zurück – ein zweites und letztes Mal hinaus in die Welt.